Und damit meine ich – meine amerikanischen Freunde mögen es mir verzeihen – „richtigen“ Fußball, „soccer„, wie es hier heißt, und nicht das urtypisch amerikanische „football„.
Also, zu einem „richtigen“ Fußballspiel waren wir gestern Abend [Anstoß 19:30 Uhr] in San Antonio, beim Spiel der San Antonio Scorpions gegen die Puerto Rico Islanders. Beide Clubs spielen in der NASL [North American Soccer League]. Wenn ich mich richtig informiert habe, ist das die zweite Liga hier, nach der MLS [Major League Soccer], würde also sozusagen der zweiten Bundesliga entsprechen.Was ich ganz erstauinlich finde, ist die Tatsache, dass hier in den Fußball-Ligen der gesamte Nordamerikanische Kontinent erfasst wird, einschließlich Kanada und im Süden sogar mit Puerto Rico: ganz enorme Entfernungen, die die Teams da zurücklegen müssen. Wie sollen denn da Fans zu Auswärtsspielen mitreisen??!!
Vorweg: dem Standard der zweiten Bundesliga entsprachen beide Teams nun absolut nicht. Ohne ihnen auf die Füße treten zu wollen: sie hätten, so glaube ich, auch noch in der dritten Liga in Deutschland ihre Problme gehabt. Aber Fußball ist nun einmal hierzulande auch nur eine Nebensportart. Der „armchair coach“ 😉 hier meint:
- Ballbehandlung, insbesondere Ballannahme, stark verbesserungsbedürftig
- Pässe in den freien Raum Mangelware
- Zuspiel zu häufig ungenau
- Freilaufen fast unbekannt
- schnelles, direktes Spiel viel zu selten
- Forechecking und Pressing: Fremdworte
Trotzdem: es war schön und interessant, live dabei zu sein, den Enthusiasmus des Publikums mitzuerleben, und es hat mir wenigstens einen kleinen Teil meiner „Entzugserscheinungen“ 😉 in puncto Fußball genommen. Die Karten waren übrigens ausgesprochen billig, $15/Person für einen Platz auf einer Bank auf der Tribüne. Ich hatte sie auf der Webseite des Klubs bestellt. Nur um dann ein paar Tage später feststellen zu müssen, dass sie, um das Stadion vollzukriegen, eine Sonderaktion gestartet hatten und nun die Karten für ganze $8 verkauften. Was ich dann aber wirklich gut fand: ich habe mich per E-Mail dazu an den Klub gewandt und mich „beklagt“ und … wir erhielten postwendend eine Entschuldigung und bekommen nun zwei Gratiskarten für das nächste Spiel. Das nenne ich kundenfreundlichen Service. Also werden uns wir dann am 19. das Spiel der Scorpions gegen die Tampa Bay Rowdies [was für ein Name!!] ansehen.
Zum Stadion selber: das Heroes Stadium, in dem die San Antonio Scorpions ihre Heimspiele austragen, ist vergleichsweise klein, Fassungsvermögen maximal 11.000 Zuschauer [oder etwas mehr] – nur Sitzplätze übrigens. Und: es gehört einer Schule (!), genauer gesagt dem North East ISD. Hier nun erst einmal ein paar Bilder:
Für mich etwas irritierend waren die Markierungen für Football [den das ist ja, neben Leichathletik, hier „track and field“ genannt, der Hauptzweck dieses Stadions] auf dem Spielfeld. Die in Gelb gehaltenen Markierungen für Fußball waren relativ schlecht zu erkennen.
Noch ist die gegenüberliegende Tribüne fast gänzlich leer. Sie wollte sich aber nich ziemlich gut füllen. Wir wollten natürlich, wie viele Andere, lieber im Schatten sitzen, hatten uns also auf der Westseite niedergelassen, die im Schatten des „Hauptgebäudes“ lag. Überdacht ist in diesem Stadion übrigens (fast) Nichts, außer einmal ein paar Logen ganz oben auf der Westseite. Aber wie gesagt, dieses Gebäude mit den Logen gab uns Schatten, da die Sonne schon tief genug stand. Und da auch ein bisschen Wind ging, war es ganz angenehm, während es auf dem Weg vom Parkplatz ins Stadion so heiß und schwül gewesen war, dass mir sofort der Schweiß aus allen Knopflöchern triefte – im wahresten Sinne des Wortes, so wie mein Hemd aussah! 😉
Auch der Fanblock ist nicht gerade gut gefüllt:
Es geht los – zuerst kommt die Flagge:
Zur Flagge am Rande bemerkt: sie darf auf keinen Fall den Boden berühren! Übrigens auch dann nicht, wenn sie an einem Flaggenmast gehißt oder abgenommen wird.
Die Mannschaften laufen ein, angeführt vom Schiedsrichtergespann:
In Hellblau die Puerto Ricaner, in Weiß die Scorpions. Die Schiedsrichter hatten es übrigens nicht schwer: es war ein sehr faires Spiel, mit nur zwei gelben Karten, und beide nicht für böse Fouls.
Die Spieler werden einzeln vorgestellt:
Auch der Anzeigetafel sieht man den eigentlichen Zweck des Stadion, Football, natürlich an.
Wie immer in den USA vor Sportveranstaltungen, so wird auch hier natürlich die Nationalhymne gespielt, übrigens auch dei von Puerto Rico, denn dieser Freistaat [„Commonwealth„] hat eine eigene:
Anmerkung hierzu: der Gitarrist der Unterhaltungsband, der als Soloist die Nationalhymne auf seiner Gitarre spielte, muss allerdings wohl noch üben. Er hatte zwei ganz deutliche Aussetzer, als er jeweils erst einmal überlagen musste, wie es denn nun in der Melodie weiterginge!
Und dann ging’s los. Hier jetzt einfach ein paar Spielszenen:
Warum sind hier übrigens so viele „Weiße“ in der Mitte vor dem Strafraum, aber keiner bei dem Islander-Spieler hier rechts im Vordergrund?
Sowohl die Ecke als auch dieser Freistoß brachten übrigens nichts ein. Am Ende hieß es dann, leider, 2:1 für die Islanders. 😦 Mit einem Wechsel so etwa in der 60, Minute [es kamen mit dem Holländer Hans Denissen, der wirklich Belebung auf die linke Seite brachte, und Jeff Cunningham zwei frische Stürmer] wurde das Spiel der Skorpions zwar deutlich besser und sie kamen auch zum Anschlusstreffer, aber dies und ein durchaus spürbares Aufbäumen in den letzten 15 Minuten half dann letztendlich doch nicht.
Abschließend noch etwas absolut Bemerkenswertes zu den San Antonio Scorpions: obwohl sie ein Profi-Klub sind, geht der gesamte Profit im Zuge der Aktion „Soccer for a Cause“ an „Morgan’s Wonderland„, einen disneylandähnlichen Freizeitpark für Behinderte [alle Attraktionen lassen sich auch im Rollstuhl „erfahren“] und Nichtbehinderte gleichermaßen, den der Millionär und Philanthrop Gordon Hartmann [er hat selber eine behinderte Tochter, Morgan, nach der dieser Park benannt ist] ins Leben gerufen und zu einem großen Teil aus seinem Privatvermögen finanziert hat. Hartmann ist einer der großen Förderer [und auch der „Owner„] der Scorpions und sie danken es ihm mit finanzieller Unterstützung seines Freizeitparks, der übrigens auch 13 kleinere Fußballfelder einschließt. Ein anderes Anliegen Hartmanns, neben der Integration Behinderter, ist nämlich auch die Förderung der Gesundheit der Jugend durch (bessere) Sportmöglichkeiten.
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Verzeih, ich bin ja leider eine richtige Fußball-Verweigerin“ und kann da nicht viel mitreden. Dennoch finde ich deinen Bericht darüber sehr interessant.
LG Gabi
Hallo Gabi!
Jeder hat eben andere Vorlieben. Schön, dass Du aber trotzdem meien Bericht gelesen hast und interessant findest.
Liebe Grüße aus dem südlichen Texas,
Pit
Feiner Bericht aus dem Arm Chair! Eine bequeme Position für Beobachtungen und Entdeckungen. Der Master nennt sich selbst auch „Lehnstuhlexplorer“;-)
Ich war mal in Miami als der Superbowl dort ausgetragen wurde, ja, was da abgeht, kann man sich hier kaum vorstellen. Wie WM x2! 🙂
Liebe grüße dir,
DIna
Hallo Dina,
danke für den netten Kommentar! 🙂
Was American Football angeht: natürlich hat mich Mary im Laufe unseres Zusammenseins schon einer Gehirnwäsche unterzogen 😉 und ich schaue mir durchaus manche Spiele auch im Fernsehen an, besonders wenn ihr/unser Lieblingsverein, die „Longhorns“ der University of Texas in Austin [Mary hat da studiert und ist eingefleischter Longhorns Fan] spielen, und ich verstehe jetzt auch so wesentlich viel mehr davon, Spielzüge etc., dass ich auch mehr Spaß am Zuschauen habe, aber ich vermisse Bundesliga-Fußball eben doch sehr. Mal sehen, vielleicht leisten wir uns ja doch einmal irgendwann eine „Schüssel“. Denn dann könnte ich auch einige deutsche Programme, u.A. eben auch Bundesliga, empfangen. Über’s Internet ist das Ganze doch zu ruckelig.Da verfolge ich es dann über einen live-Ticker und/oder Radio, aber das ist eben doch nichts gegenüber dem echten Sehen.
Den Superbowl kenne ich nur aus dem Fernsehen und werde ihn wohl auch nie live erleben, aber wir werden am 1. Septemder das erste Spiel der Longhorns in dieser Saison live anschauen, in Austin. Ich habe die Karten dafür Mary zum dritten Jahrestag unserer Hochzeit geschenkt. Da werde ich dann also mal diese Atmosphäre auch live erleben.
Liebe Grüße aus dem südlichen Texas, und mach’s gut,
Pit
Ist ja interessant, als Nicht-Amerikaner erfährt man eine Menge Sachen über den „Soccer“, die einem hier gar nicht klar sind!
Hallo Martin,
freut mich, dass Dir der Artikel gefallen hat und dass ich Dir etwas Neues erzählen konnte. Uns hat der Besuch im Stadion Spaß gemacht, wenn das Spiel natürlich auch – ich habe ja deutliche Kritik in meinem Artikel angemeldet – nicht unbedingt bundesligareif war. Was mir auch da bewusst wurde – es war erst mein zweites „live“ Spiel: hier gab’s zwar die richtige Atmosphäre, aber im Fernsehen hat man die Möglichkeit, Szenen noch einmal zu sehen, möglicherweise auch in Zeitlupe, um dann Alles besser mitzubekommen. Hier gab es das nicht, möglicherweise einfach nur deswegen, weil in diesem relativ kleinen Stadion die technischen Möglichkeiten fehlten. Wäre aber schön gewesen.
Liebe Grüße aus dem südlichen Texas nach „good ol‘ Germany“,
Pit
Schöne und interessante Einblicke
Freut mich, dass der Artikel und die Bilder Dir gefallen.
Liebe Grüße aus dem südlichen Texas,
Pit